Sonntag, 20. August 2023

AMR 2023 - Schlusssprint

 In der Nacht nehme ich mindestens einen Radfahrer wahr, der noch auf der Piste vorbeiradelt, ich nehme an, dass es Pavel ist (was sich im Nachhinein bei genauer Betrachtung der Rennverlaufskarte als korrekt herausstellt, er schläft nur ein kurzes Stück nach mir). Ich wache wieder vor dem Wecker auf, so gegen 3 Uhr und mache mich grad ans Packen. Erst fluche ich, weil die Nacht doch recht feucht geworden ist und mein Schlafsack entsprechend klamm, dann fällt mir der Sand ein und ich frohlocke, denn je feuchter der Sand, desto tragfähiger. Zusammengepackt ist schnell und im nächsten Ort geht es dann schneller als gedacht, der Sand fängt an. Wieder bin ich happy, denn ich habe eine Strategie, Dina hatte gleich gemeint, bei Sand muss Luft herausgelassen werden. Das hatten wir in Jordanien bereits erfolgreich in den Sandabschnitten vor und nach dem Wadi Rum praktiziert.

Also abgestiegen und die Luft brutal rausgelassen, der Reifen muss ungesund aussehen, also deutlich unter dem angegebenen Minimaldruck sein, damit die Auflagefläche auch entsprechend gross wird. Keine 5 Minuten später bin ich schon wieder auf dem Rad und kriege Adrenalinschübe, it works! Ich kann im Sand fahren, teilweise fliege ich dahin, manchmal bremst es aber auch ganz schön, ich muss aber fast nie absteigen. Das ist eine riesige Motivation, denn hier mache ich wohl gegenüber den meisten Anderen Zeit gut. Ich sehe im Sand einige Spuren, die nach Schieben aussehen. Ja, bei dem starken Mond ist es wieder prima zu fahren und die Stirnlampe unnötig. Es gibt nicht immer eine gute Strasse, bzw. teilweise habe ich den Eindruck, dass es ausserhalb im Gelände einfacher geht. Und so geht der Sandabschnitt relativ schnell vorüber (gemäss Trackerdaten ca. 45 Minuten für die 15 km). Gegen Ende wird es wieder buschiger und die Piste liegt zwischen Hecken. Kurz bevor ich auf Asfalt komme, merke ich, dass der Vorderreifen schwammiger wird, Mist, ein Platten. Erst versuche ich es einige Zeit mit Pumpen, aber im Gegensatz zur Colonial Road wird der Reifen leider nicht dicht. Also Rad ausgebaut und ein Schlauch reingezogen. Vorher natürlich noch nach Dornen geschaut, und siehe da, es hat doch einige in den Reifen reingezogen. Die müssen zum Teil mit der Zange entfernt werden. Dann wieder gepumpt und weiter. Ich komme keinen Kilometer weit, der Schlauch hält die Luft nicht, also neuen Schlauch aufgezogen, ordentlich geflucht und meinen ganzen Sandvorteil eingebüsst, das hat mich fast eine Stunde gekostet. Immerhin bin ich fast wieder auf Teer und es hat mich erstaunlicherweise niemand eingeholt (ich im Sand auch niemanden). Nun geht es im Dunklen weiter durch eher uninteressante Ortschaften, bis ich auf eine grössere Strasse komme, wo ich die Müdigkeit spüre und auf einem Kilometerstein noch einmal wegnicke. Nur hoffe ich, dass mich niemand überholt. In Amskroud nutze ich nicht die 24h-Tanke, sondern fahre gerade die Strasse in die Berge. Langsam dämmert es schon über der Ebene, aber Licht ist noch angesagt, wir sind ja auf einer Strasse. Auf dieser ist allerdings absolut kein Verkehr. Nur nach einer Weile sehe ich ein Licht von hinten kommen, ich vermute Pavel. Ein bisschen erhöhe ich also den Takt und komme auf der Teerstrasse ins Nirgendwo gut voran. Es ist tatsächlich nicht auszumachen, weshalb die Teerstrasse hier ist, keine wesentlichen Ortschaften auf der Karte auszumachen und die Route wird wieder runter in ein Tal gehen und von dort einige Abfahrten und Anstiege machen. Oben hört entsprechend auch der Teer auf und man erkennt, dass es vor kurzem geregnet haben muss, die Spuren von den Vorderen haben sich gut eingedrückt. Die Piste geht nun wieder runter und ich beeile mich, um etwas Abstand zu bekommen. Je tiefer es geht, desto steiniger wird die Piste und sieht am Schluss nur noch wenig befahren aus. Am Gegenhang geht es steil nach oben, nach zwei, drei Kehren stelle ich fest, dass es meinen Hinterreifen erwischt hat, vielleicht bei der Abfahrt. Er verliert Luft, also Pumpe ich erst einmal. Leider ist es ein Loch in der Reifenflanke, die ja besonders schlecht zu dichten sein sollen. Während ich Pumpe werde ich überholt, doch nicht Pavel. Ich hole ihn wenig später ein, es ist Sam aus den Niederlanden. Wir haben ähnliche Geschwindigkeit, so dass wir uns hier gut unterhalten können. Nur bei den Abfahrten lässt er es krachen, und liegt wenig später vor mir auf der Piste. Ich schimpfe ihn erst mal, dass er noch nicht mal Handschuhe angezogen hat (die sind nur auf die Triathlonaufsätze aufgesteckt), aber er hat Glück und keinen Kratzer abbekommen. Wir fahren zusammen bis zur Teerstrasse und bis zu den ersten Strassencafés, wo es erst einmal eine ordentliche Portion gibt und einen Avocadoshake. Ich fahre vor ihm weg, auf den von anderen Fahrern, oder vom Veranstalter, so genannten Stelvio von Marokko. 

Nach dem Soustal wieder in der Höhe

Biken mit Sam

Aufwändig gegrabene Strasse

Mille Feuilles, eine meiner Lieblingssnacks in Marokko

Es ist einfach noch ein Pass mit einigen Spitzkehren. Vorher passiert man weitere Cafés und einige Touristen, das Tal ist eine beliebte Sommerfrische. Die Stelviostrasse ist dann einsam und teilweise liegt auch etwas Schutt auf dem Asfalt. Auf den letzten Kehren sehe ich, wie Sam sehr weit unten pedaliert. Nach dem Pass muss ich mich noch einmal um den Reifen kümmern, er verliert weiter Luft. Ich hatte immer mal wieder zwischendurch gepumpt, aber jetzt versuche ich es mit einer Maxsalami, und zwar mit meinem fettesten Kaliber. Das verschwindet gut im Loch und scheint zu stopfen. Das Problem ist jetzt der Rahmen. Die aus dem Reifen herausstehenden Enden der Salami touchieren immer meine Rahmenstrebe und ich fürchte, dass damit das Loch weiter Luft verlieren kann. Im Verlauf vom Tage bekomme ich die Enden aber immer weiter gestutzt, bis sie nicht mehr schleifen (das Schleifen war eher ein Klopfen, so fest haute die Salami gegen die Strebe). Immer noch nicht eingeholt. Nun kommt noch einmal eine geniale Abfahrt, kurz auf Teer und dann auf Schotter. Ich lasse es brettern, was einen Heidenspass macht. Danach kommt dann noch einiges an Strecke und ich bekomme langsam Respekt vor dem nahenden Abend. Mit nur gut zwei Stunden Schlaf befürchte ich, dass es noch einmal mühsam werden könnte.






Aber zunächst müssen allerlei Gegensteigungen und Abzweigungen hinter mich gebracht werden. Am Schluss geht es einen Stausee entlang, über dessen Mauer es geht. Nun ist es nicht mehr weit bis Imsouane, 25 km und das auf Teer. Es wartet nur noch der Hügel vor dem Ort, von dem es dann bis ans Meer runter geht. Die Strasse ist zwar in Bau, aber ich kann trotzdem Highspeed düsen. In Imsouane geht es erst einmal vom Track runter, der am Ortsrand gleich wieder Richtung Ziel abdreht. Es ist jetzt gegen 19.00 und ich will noch etwas essen. Unten im Ort findet sich ein Cafe, das auch Tacos macht, einen esse ich vor Ort und einen nehme ich wieder mit, zudem ein paar Snickers (gegen Ende des Rennens werden die Snickers dann ausgegangen sein). Es ist wunderschön hier am Meer und auch eine sehr relaxte Stimmung. Die ganze Surfclientel ist da und mit ihr die Clichés, alte VW-Büssli etc. Frisch gestärkt mache ich mich auf. Ich möchte noch möglichst viel vom Restlicht nutzen, bis Essaouira gibt es zudem noch einmal Pistenstücke, der Schluss sollte dann wieder Asfalt sein. Ein Blick auf die Uhr, es sind noch fast 90 km. Im Idealfall schaffe ich es noch vor Mitternacht. Nun geht es erst einmal leicht bergauf, die Sonne senkt sich ins Meer und es ist eine fantastische Stimmung, ein super Abschluss. 







Es geht durch ein paar Orte und dann hört auch einmal der Asfalt auf, aber der Weg ist noch super fahrbar. Zwischendrinn hat es mal eine Stelle, an der die Piste blockiert ist, aber eine Umfahrung ist schnell gefunden. Dann geht es noch einmal runter zum Strand, es ist jetzt schon dunkel und ich fahre mit meiner einfachen Funzel und der Stirnlampe, um das GPS abzulesen. Es ist noch viel los im Dorf, Mopeds sind überall zu hören. Nun kommt noch ein letzter langer Schlussanstieg. Mein Adrenalin geht hoch, ich sehe ein Licht, das ich mit einem Radfahrer verbinde. Ach was, so viele Mopeds wie es hier hat, da gibt es viele Lichter. Ich kann aber meine Kräfte gut mobilisieren und der Anstieg bereitet keine Probleme. Es geht jetzt in dichteren Wald rein und ich muss gut navigieren. Langsam flacht es auch aus und ich halte die Geschwindigkeit hoch, insbesondere bergab natürlich. Das zieht sich dann nochmal und es ist stockduster, da der Mond noch nicht draussen ist. Ich bin heilfroh, als ich nach einer guten Weile wieder auf Teer bin, jetzt rollen lassen. Es ist jetzt 22:15 und ich habe noch 35 km, das sollte doch zu schaffen sein. Allerdings hilft kein Rückenwind und auch sanfte Steigungen werden mühsam. Als es dann kurz vor Essaouira noch einmal von der Strasse auf irgendeinen Feldweg und Pfad geht, zweifle ich, ob ich es vor Mitternacht schaffe (25 Minuten und noch 7 km), aber trete ordentlich in die Pedale. Ich hatte ganz vergessen, dass es wohl nicht auf Asfalt zu Ende gehen würde. Etwas erleichtert gelange ich wieder auf Asfalt und fahre die letzten Kreisel aus. Endlich taucht das Hotel auf und ich schaffe es tatsächlich noch vor Mitternacht. 23:57 ist die Zeit, an der mein Tracker im Ziel registriert (er nimmt alle 10 Minuten einen Punkt). Nelson ist noch auf und ich bekomme meinen letzten Stempel, nur wenige andere Fahrer sitzen noch da und machen sich bald ins Bett. Ich bin als 13. ins Ziel gekommen, deutlich besser, als ich bei dem grossen Feld und den starken Fahrern erwartet hatte. Gegenüber dem letzten Checkpoint habe ich also noch einmal ein paar Plätze gutgemacht, das lag z.B. auch an der Aufgabe von Mattia de Marchi, der zwischenzeitlich geführt hatte, aber letztlich mit Atemproblemen aufgeben musste.

Mit Nelson unterhalte ich mich noch etwas, vor allem über Kirgistan, so kriege ich noch einige Expertentips (er lebt in Kirgistan).

Nun muss nur noch ein Zimmer für die Nacht organisiert werden. Ich habe nicht mehr den Nerv noch eine günstige Bleibe zu organisieren und nehme ein Zimmer im teuren Hotel. Allerdings ist das erste Zimmer dann noch gar nicht gemacht (Bett nicht frisch bezogen, Handtücher am Boden), so dass ich mich beim Manager beschweren muss. Bevor ich schlafen kann, muss ich noch ein paar Kleider auswaschen, ich bin ohne Zusatzgepäck unterwegs, nur das Race-T-Shirt habe ich noch hier, in der Tasche von Thomas.

Dienstag, 15. August 2023

AMR 2023 - Auf bekannten und unbekannten Wegen

Kaum 10 Minuten gefahren, bumpe ich in den ersten Fahrer. Es ist Pavel, der hier seinen Schlafplatz hatte und gerade auf sein Rad steigt. Wir fahren nun noch das ganze Tal in etwa gleich schnell aus. Dann geht es eine kleine Piste sehr steil links ab. Auch diese ist mir noch bekannt, damals aber im Hellen. Spannend ist der kleine Weiler, der auf einmal auftaucht, der ist abgelegen. Pavel und ich kommen in etwa gleich schnell den Berg rauf und gelangen zur LKW-Strasse. Das ist eine Piste, welche fast Asfaltmässig platt gewalzt ist und recht breit, wohl weil sie vor allem von Minen-LKW genutzt wird. Diese sind auch schon vor der Dämmerung unterwegs. Nun fahre ich Pavel voraus, die Piste kenne ich noch nicht, wir sind kurz nach dem auf die LKW-Piste-Kommen rechts abgebogen und hatten noch ein sehr schönes Flusstal, allerdings mit sehr schlechtem Belag (grober Flusskies und Steine) zu fahren. Heute geht es einfach über die gute Piste weiter. Da ich mich müde fühle lege ich mich, während es dämmert, noch einmal für eine Weile in den Strassengraben, auf der Isomatte sitzend, die Beine auf dem Rad abgelegt, ich will die Isomatte nicht noch mal aufpumpen. Das wird wohl eine Dreiviertel Stunde gewesen sein, ist ja egal, wenn jemand überholt. Trotzdem eigentlich eine Todsünde, vor allem bei so kurzen Tagen. Da sollte man versuchen während Tag nicht schlafen zu müssen.

Der kurze Schlaf war wohl angebracht, die Piste geht nun ziemlich steil runter, so dass Konzentration angesagt ist. Trotz Bremsen erreiche ich ziemlich Speed. Es geht noch einmal hoch, bevor wir dann endlich Richtung Haupttal fahren. Für die meisten Fahrer ist es ein ziemlich langer versorgungsfreier Abschnitt. Der einzige grössere Ort mit Läden wird auf der Route nämlich um 200 m umfahren. Dabei hat es in Afelah Ighir doch ein paar Läden. Ich fahre auch daran vorbei, aber dann die 300 m zurück und frühstücke in einem Cafe noch ein Thunfisch-Sandwich, auf Omelette hatte ich keine Lust. So gestärkt geht es Richtung Ait Mansour, eine Strecke die ich schon zwei Mal gefahren bin, 2009, als ich bis nach Mali kam (von Agadir, vgl. diesen Blog) und 2017, als wir in Agadir den Rückflug nahmen. Es ist eine sehr schöne Strecke, am Anfang am Hang entlang geführt und anschliessend richtig durch die Palmen. Zwischendurch überhole ich noch Lukas. Bis in Tafraoute, wo der nächste Checkpoint ist, bin ich dann wieder alleine. Es geht noch einmal über einen Pass, aber auf der Teerstrasse angenehm zu radeln. Vorbei geht es an der engen Kehrenkombination, wo ein zum Wohnmobil konvertierter Reisebus 2009 stecken geblieben war. Von 2017 weiss ich noch, wie herrlich die Abfahrt vom Pass ist. In einigen Kurven geht es runter in die Ebene von Tafraoute, wo einige schöne Gesteinsformationen stehen, u.a. als Bekannteste der Napoleon. In Tafraoute ist der letzte Checkpoint vor dem Ziel, CP3 genannt, ich komme gerade gegen 12.00 Mittag an. Für mich ist es der beste Checkpoint, in einem guten aber günstigen Hotel/Restaurant gelegen, das Rad kann an den Eingang gestellt werden und vor dem Eingang wird abgestempelt. Ich scheine nun sogar in den Top 20 zu liegen. Im Restaurant sitzt schon Pavel und lädt unglaubliche Mengen in sich. Als wenig später Lukas kommt, tut er es ihm gleich. Etwas fertig sehen wir da aus, gerade noch imstande das Essen hineinzuwürgen. Ich bestelle mir nur zwei Portionen Taccos, Tee und Avocadoshake. Eine Portion Tacco ist zum mitnehmen. Sonst wird noch schnell die Kette gefettet und das Angebot auf eine Dusche oder ein Zimmer ausgeschlagen. Die Bedienung ist sehr zuvorkommend, wie gesagt, der beste Checkpoint und das beste Restaurant unterwegs. Auch Luisa lässt sich blicken, sie muss in der Nacht vorbeigezogen sein, aber bezieht hier jetzt ein Zimmer. Sie klagt von einem Sturz an der Colonial Road, anscheinend hat sie in der Nacht einen Abstieg gemacht und dabei insbesondere eines ihrer Triathlonhörnchen verloren und Einschränkungen bei der Schaltung. Auch sonst ist sie gezeichnet, wie viele andere Fahrer. Viele haben aufgerissene Lippen. Ich bin sonst kein so konsequenter Anwender von Labellos, aber in dem Fall hatte ich versucht ihn möglichst oft anzuwenden. Auch die Hände, v.a. Finger wurden regelmässig gecremt und ich bin die meiste Zeit noch mit dünnen Handschuhen gefahren. Am Schluss habe ich nur leicht eingerissene Haut an den Fingernägeln, normal ist das schlimmer, auch im normalen Urlaub.





In Tafraoute verpasse ich dann noch einzukaufen, aber im nächsten im Roadbook eingezeichneten Ort als Supplypoint, hole ich das nach. Es geht nun wieder über einen Pass, aber alles Teer und von daher angenehm zu fahren. Diesen Abschnitt kenne ich immer noch von 2017 und auch die Abfahrt nach Tanalt. Vor der Abfahrt wird noch der Taco im Strassengraben verdrückt. Die Temperatur am Nachmittag ist wieder angenehm. Nun endlich kommt ein für mich neuer Abschnitt, es geht eher kleine Strassen entlang, die nur eine Fahrzeugbreite haben, aber meist betoniert sind. Die Landschaft hier ist wieder eindrücklich, gerade nach dem Anstieg geht es auf der anderen Seite ziemlich runter. Aus der Routenplanung weiss ich, dass wir fast bis auf 200 m runter müssen. Die Route schlängelt sich aber immer wieder oben entlang und verliert nur nach und nach Höhe. Zwischendurch kommt mir ein Bikepacker entgegen. Er macht die Route ohne Rennbedingung in der Gegenrichtung. Auf Instagramm hatte schon eine andere Radlerin die Route im Vorhinein gelobt, auch sie hatte den GPS-Track für ihre Radferien genommen. Als Nelson wissen wollte, wie sie ihn fand und ob sie bis zum Schluss gefahren ist, meinte sie, dass sie sich etwas mehr Zeit gelassen hat und nicht bis zum Ende kam. Scheint ihr aber sehr gefallen zu haben.









Im Tal geht dann nur eine kleine Piste von der Teerstrasse ab, die sich bald darauf zu einem Pfad verliert, der sich dann auch verliert. Dem Track folgend kommt man trotzdem an einen Weg, der den Hang hochgeht, eine alte nicht mehr befahrene Piste. Ich lasse das Fahren schnell bleiben und schiebe, ein bisschen Kraft muss man sparen, insbesondere, wenn der Weg mit Steinen bedeckt ist. Es geht eine Weile auf dem schlechten Weg nach oben, bis er wieder befahren ist und ich aufs Rad steige. Es ist nun schon Abend und ich wieder im Stress noch Strecke vor der Dunkelheit zu machen, eigentlich gehe ich davon aus, noch einiges an Höhenmeter machen zu müssen, doch da scheine ich im Roadbook nicht alles korrekt notiert zu haben. Noch im Hellen wird die nächste Teerstrasse erreicht, von der es nur einen kurzen unlogischen Abstecher in ein Dorf gibt. Sidi Abdallah ist dann die Hoffnung für das Abendessen, hier liegt auch mein Höhenmeterfehler, ich hatte den Ort fast auf 1000 m eingetragen, aber er liegt so auf 700 m. Im Dunklen wird Sidi Abdalah erreicht, ein Restaurant ist aber noch offen, so dass es ein Abendessen gibt. Während es zubereitet wird kaufe ich noch ein, schliesslich wird Ait Baha relativ spät erreicht und dann kommt nicht mehr viel Gelegenheit zum Einkaufen. Bis Ait Baha ist noch ein Teil der Strecke Off-Road und da muss ziemlich genau auf den Track geschaut werden, teils geht es einen sehr schmalen Pfad runter, dafür rollt es sich danach gut auf dem Teer nach Ait Baha, wo ich keinen weiteren Stopp mache, sondern auf die Hauptstrasse einbiege, die gleich darauf verlassen wird. Es steht bald das ausgemachte Sandstück an. Auch wenn Nelson beim Briefing meinte, dass da kein Sand wie in den letzten Jahren kommt, gescoutet hatte nicht er, sondern ein marokanischer Radler, der meinte, dass die Strecke da unkompliziert sei. Auf Satellitenbildern sieht es jedoch sehr klar nach Sand aus (Minidünen). Vorher müssen aber noch ein paar kleine Täler durchfahren werden, was auch nachts ganz passabel geht. Der Mond scheint wieder prächtig und ich bin gespannt auf den Sand. Allerdings merke ich, dass ich langsam müde werde. Dass ich nun bis ins Ziel durchfahren kann, nachdem ich heute schon früh aufgestanden bin, scheint mir angesichts über 300 km nicht plausibel. Und so entscheide ich mich, ein paar Kilometer vor dem Sandabschnitt noch einen kurzen Schlaf einzulegen, es ist schon nach Mitternacht. Ich schiebe etwas abseits des Track, damit nicht alle Nachtradler direkt an mir vorbeikommen. Unterlage ausrollen, Matte aufpumpen und in den Schlafsack. Wecker stelle ich recht früh, gut 2 Stunden Schlaf will ich mir nur gönnen.





Montag, 14. August 2023

AMR 2023 - Flow und Nicht-Flow

 Wieder muss ich nicht den Wecker abwarten, sondern wache vor ihm auf. Die Sachen sind schnell zusammengepackt und es gibt noch Frühstück. Der Tee ist frei und somit gibt es Tee mit Gebäck aus Taznakht. Ein Wucher sind hingegen die Preise für die Kekse, welche zum 5fachen Preis verkauft werden, der auf der Packung steht. Leider ist der nächste sichere Versorgungspunkt erst in Tagmout, was 120 km entfernt ist, somit lieber genügend Essen mitnehmen. Wasser sollte ich zwischendurch notfalls finden. Es dämmert schon, als ich loskomme (nach 7:30). Der Weg ist nun wirklich bekannt und ein echtes Highlight, egal von welcher Seite man kommt. Das tief eingeschnittene Tal ist überall mit Palmen bedeckt und es geht steil runter, teils durch Dörfer und auch an einer weiteren Herberge vorbei. Bei der ersten Austragung war man wohl an dieser Herberge und wenig begeistert von der Preisgestaltung. Im Laufe des Rennens scheinen die Preise damals immer wieder angehoben worden zu sein. Weiter unten kommt mir ein Radfahrer entgegen, es ist ein Teilnehmer. Etwas verzweifelt wirft er mir entgegen, I missed the Checkpoint. Er muss noch einige Höhenmeter zurücklegen. Offensichtlich hatte er schon etwas Strecke vergeblich gemacht. Sam, den ich später treffe, erzählte mir, dass er den Unglücklichen getroffen hatte, bzw. sie sich überholt haben und er meinte zu seinem Landsmann, dass sie nun bald am Checkpoint seien und Sam antwortete, der Checkpoint war schon. In dem Moment realisierte er, dass er zu weit war.


Für mich geht es dafür noch ein paar Kilometer auf Asfalt und bergab weiter bevor noch einmal ein mühsameres Stück kommen soll. Runter flutscht es natürlich, dann geht die Piste ab. Wie gestern auch läuft die Strecke parallel zu einem Hauptrücken, von dem aus aber ein Wadi herunterkommt. Am Anfang ist die Piste noch befahrener, dann geht es auf ein weniger befahrenes Stück und ab dem Wadi zudem bergauf. Das schient der mühsame Teil zu sein, der aber letztlich vorbei ist, als im GPS der Punkt auftaucht, der das Mühsal ankündigen sollte. Die Abfahrt ist ruppig, aber trotzdem gut fahrbar, unten taucht auch schon ein Ort auf. Am Ortsrand ist ein Fahrer am Wegesrand und gerade am Reifen flicken. Das muss wohl Lukas aus Polen gewesen sein, in Tafraoute klagt er, dass er eine Stunde mit dem Reifen beschäftigt war. Im Ort ist kein Laden auszumachen, aber auch nicht nötig. Ich bin überzeugt, dass man hier auch was finden könnte. Es geht nun über eine grössere Brücke, an deren Ende einige Einheimische gerade in das Sammeltaxi einsteigen. Ab hier gibt es ein längeres (40 km) Stück Asfalt bis Ibn Jacoub, dem Ort, den ich für potenzielles Wasserfassen identifiziert hatte. Die Strecke ist unspektakulär, ich hole kurz vor Ibn Jacoub 2-3 Fahrer ein, darunter Sam, der mich aber überholt, weil ich im Cafe am Ortseingang absitze und mir Omelette und Tee gönne. Mit dem Wasserglas, das parat steht mache ich mir auch zum ersten und einzigen Mal einen Proteindrink. Das Pulver hätte ich auch daheim lassen können. Es kommen noch zwei Fahrer dazu, bis ich mich dann wieder aufmache. Einen Laden hat es auch im Dorf, aber ich brauche eigentlich grad nichts, da ich erst in Tagmout nachfüllen möchte. 






Im Ort steigt die Strecke dann schon an und die Steigung bleibt dann eine Weile erhalten, da es hier auf einen Pass geht, wobei im Ort schon das steilste Stück war. Das ist noch einmal ein langes Stück Piste bis zum Asfalt im Ort vor Tagmout. Die Abfahrt vom Pass ist auch recht steil, vor mir ist wieder ein Teilnehmer, den ich dann erst im flacheren Stück überhole. Hier kann man es ordentlich sausen lassen und es macht Spass. Gebremst wird man nur kurz, wenn es durch den tieferen Wadi-Kies geht. So ist die längere Pistenstrecke (wobei doch nur 34 km) einigermassen schnell geschafft und ich freue mich schon auf das Essen in Tagmout. In Tagmout halte ich erst einmal bei dem Shop, in dem wir im Dezember eingekauft hatten, als wir die AMR-Strecke hier gekreuzt hatten (Ighrem – Tata). Als ich den Besitzer darauf anspreche, dass ich schon mal bei ihm war (als Pärchen) meint er sich zu erinnern. Essen ist dann weniger prickelnd. Weiter vorne am Platz hat es ein Cafe, bei dem schon ein Rad steht. Es ist Pavel, der etwas wild durch die Gegend fährt (Auf dem Helm steckt eine Feder). Leider verstehe ich den Besitzer nicht richtig, als er frägt, was ich will. In der Meinung ein Omelette zu bestellen sage ich, dass ich nur Eines will. Wie sich herausstellt war das aber die Frage nach der Anzahl Eier. Nun gut, dann halt ein Ei mit Tee. Während ich im Cafe sitze kommt noch Luisa an und bestellt sich auch ein Omelette. Bei ihr hat man den Eindruck, dass sie etwas bluffen will und sehr beschwingt und guter Laune ob der formidablen Strecke daherkommt. Wobei ich zugeben muss, dass ich das letzte Pistenstück auch gut fand. Aber den meisten Teilnehmern sieht man schon an, dass es einen gewissen Schlafmangel gibt, so auch ihr.





Auch wenn jetzt das gefürchtete Stück der «Colonial Road» kommt, lade ich mir den Rucksack nicht voll, sondern lasse ihn in der Rahmentasche. 2.5 Liter sollten mir genügen. Ich wollte ja möglichst vor der Nacht schon durch sein, auch wenn das jetzt 60 km, auch mit ordentlicher Steigung und schlechtem Belag sein sollen. Daher hatte ich schon darauf geachtet nicht zu sehr zu trödeln. Allerdings ist jetzt schon Nachmittag und entsprechend knapp dürfte es werden, bzw. ich rechne damit in die Nacht zu kommen. Im Satellitenbild hatte die Piste ab dem Hochpunkt allerdings wieder befahrener ausgesehen, so dass ich hoffe im Hellen bis dorthin zu kommen.

Die ersten Kilometer sind noch geschenkt, es geht flach dahin, aber sobald es Richtung Gebirge abgeht, wird die Piste tatsächlich schlechter. Und jetzt endlich nach 16.00 merkt man auch endlich etwas Wärme. Tagsüber war es nämlich bislang nicht wirklich T-Shirt-Wetter. Die plötzliche Wärme sorgt bei mir für einen Müdigkeitsschub, so dass ich mich kurz neben die Strecke lege, vielleicht eine Viertelstunde. Dann geht es auf der (noch befahrenen) Piste weiter. Wie gesagt, das ist der bekannteste Teil des ganzen AMR (neben dem Telouet-Schiebestück), die Colonial Road ist mit einigem Aufwand hier über den Berg gelegt worden, mit durchgehender grosser Stützmauer, die aufgefüllt wurde für die Strasse. In den Soviet-Karten ist sie noch als Hauptstrasse eingezeichnet. Berühmt-berüchtigt sind vor allem zwei Stellen, an der sie unterbrochen ist, da steht man dann vor einem 5 m Abbruch. Nelson hatte beim Briefing aber alle darauf hingewiesen, dass es nicht Idee ist, diese Abbrüche herunterzuklettern, da das gefährlich wäre. Ganz einfach könnte man kurz vor den Abbrüchen einen rechts abgehenden Umgehungspfad nehmen. Da noch hell ist, kein Problem für mich diese Wege zu finden. Das Rad muss aber schon ein bisschen getragen werden. Kaum auf der anderen Seite, sehe ich auch schon weiter unten Luisa den Berg rauffahren. Mal schauen ob sie mich auf dem Weg nach oben noch einholt. Auch der zweite Abbruch geht einfach. Nun ist die Strasse natürlich nicht mehr befahren und es liegen einige Steine darauf. Man sieht aber auch die Spuren der Radfahrer vor mir. Vielleicht ist die Strecke ja nach ein paar Austragungen ein flowiger Singletrail.










Die Strecke steigt weiterhin und führt in einem grossen Bogen ausserhalb des Anfangstales. Unter mir sehe ich noch einmal Luisa vor der zweiten Unterbruchsstelle, sonst sehe ich (mit Ausnahme eines Fahrers) bis zum Asfalt keinen Fahrer mehr. Es zieht sich bis zum Pass, der nicht wirklich zu erkennen ist, die Strasse bleibt hier länger in der Höhe. Ab der Hochfläche sieht es auch wieder bewohnter aus, zumindest hat es einige Verschläge für Hirten und auch einen grösseren Gebäudekomplex. Zwischendurch ist die Piste auch wieder etwas besser fahrbar, hat das Satellitenbild doch nicht getrogen? Die Sonne ist nun schon weg und ich muss schauen, dass ich noch maximal Strecke mache, solange es ein bisschen hell ist. Auch die Hirten treiben nun ihre Tiere zusammen, weiter unten hat es eine riesige Herde und auch einige Hunde, welche bellend auf mich zu rennen. Zum Glück scheinen die Hirten sie einigermassen unter Kontrolle zu haben. Ich rausche jetzt runter, leider gibt es noch eine Gegensteigung und dann zieht sich die Abfahrt, wenn es denn runter geht. Hier ist die Piste wieder schlecht und teils von Wasser arg angefressen. Mittlerweile ist das Licht auch weg und ich muss recht langsam fahren. Auf dem GPS versuche ich zu erahnen, wann die Teerstrasse endlich kommt, leider doch nicht so schnell. In der Dunkelheit fahre ich recht vorsichtig mit meiner einfachen Stirnlampe runter, der Belag lässt schnelles Fahren nicht zu. Nach einiger Zeit ist unten ein Licht zu sehen, da steht ein Jeep rum. Als ich näher komme, entpuppt er sich als Racecar, d.h. die Photographen sind hier. Etwas unterhalb des Autos dann ein Zischen, Mist, mein Vorderreifen hat ein Loch. Ich fahre zum ersten Mal einen Tubelessreifen und leider wird der nicht abgedichtet, wie er soll. Schnell abgelegen, das Tubelessreparaturzeug aus der Rahmentasche gekramt und die vorbereitete Salami in den Reifen gestopft. Nun muss der Reifen noch richtig gedreht werden, so dass die Sauce auch in die undichte Stelle läuft. Das Ganze spiel sich ab, während neben mir ein Photograph kniet und mich beim Flicken knippst. Nun muss ich vor allem Pumpen, denn das Loch scheint tatsächlich abgedichtet zu sein. Ich hoffe bald am Asfalt zu sein, aber ein paar Kilometer muss ich noch runter, zum Schluss sogar nur auf einem schmalen Pfad. Hier besser nicht Stürzen in der Dunkelheit. Im Nachhinein sehe ich, dass auf Instagramm ein Photo gepostet wurde, mit einem Radfahrer, der in der Nacht pumpt. Kommentar darunter: Gleich zwei Fahrer haben hier auf 50 m einen Platten eingefahren. Somit hat auch der vor mir fahrende Pavel hier reparieren dürfen. Das Photo zeigt aber mich, wie ich ein paar Tage nach dem Rennen in den Photographenbildern verifizieren kann.






Als ich endlich auf der Strasse bin, biege ich in die «falsche» Richtung ab, da 1 km Off-Route ein Ort mit Gite im Roadbook angegeben ist. Leider hat alles zu, so dass der Umweg vergeblich war. Ich frage ein paar Spaziergänger am Wegesrand, wo es ein Cafe oder Laden hat. Das scheint in Issafn der Fall zu sein. Dort wartet Im Cafe schon wieder Pavel, den Tisch voller Essen zugestellt. Es gibt wieder einmal Omelette, aber auch sonst können noch Kekse gekauft werden. Der Essenshalt ist etwas länger, aber ein bisschen will ich noch fahren, es ist erst so gegen 21 Uhr. Die Strecke ist mir von früher bekannt, wir waren auf der Asfaltstrasse schon einmal runter gekommen von Ighrem und dann den gleichen Weg abgebogen, wie das AMR. Im 2017 war der Weg nach der Teerstrasse allerdings noch voll im Kiesbett des Tales verlaufen, während am Hang schon einen enorme Baustelle war, wo eine neue Strasse in den Hang gesprengt wurde. Von Issafn geht es aber erst einmal bergab, zusammen mit Pavel, bis ich ins bekannte Tal abbiegen kann. Um die Uhrzeit ist schon nichts mehr los auf den Strassen. Etwas enttäuscht bin ich, als nach dem ersten Ort der Asfalt aufhört, hatte ich doch darauf spekuliert, dass die sehr aufwändig erstellte neue Strasse sicher asfaltiert wäre. Nachdem ich schon etwas müde bin, geht es doch nicht so lange weiter. Um 23 Uhr wird ein Schlafplatz hinter einem Steinhaufen bezogen, so dass ich von der Strasse nicht gesehen werden kann. Ich stelle den Wecker, ich glaube auf 4 Uhr, aber letztlich stehe ich vor dem Schellen schon wieder auf, gegen 4 Uhr geht es weiter. In der Nacht habe ich ein paar Mal vorbeifahrende Radler gehört, Pavel hatte ich ja hinter mir gelassen.

@chrismcclean @atlasmountainrace

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